Donnerstag, 8. Dezember 2016

Neun Punkte :: Ich bin kein Gegner des Rechtsstaates sondern sein Verfechter

Meine politische Positionierung zum deutschen Rechtsstaat:
  1. Die „alte Bundesrepublik“ hatte mit ihrem Grundgesetz nach dem zweiten Weltkrieg eine der besten und freiheitlichsten Verfassungen weltweit geschenkt bekommen. In der Schule (in den siebziger Jahren) haben wir dessen Wert immer wieder eindringlich vor Augen geführt bekommen. Dies war verbunden mit einer Sensibilisierung für die stets mögliche Bedrohung dieser freiheitlichen gesellschaftlichen Lebensgrundlage durch totalitäre Systeme. Es war zudem verbunden mit dem Aufruf, einer solchen Bedrohung, wann immer sie denn je einträte, standhaft entgegenzutreten, damit sich so etwas wie der Faschismus und die Nazi-Barbarei nie wieder wiederholen könnten.
  2. Gedichte wie „Sag nein“ von Wolfgang Borchert haben mich schon als Schüler massgeblich geprägt. Daher erfüllt es mich heute, vierzig Jahre später, mit grosser Sorge, dass nun ein neuer Totalitarismus auf deutschem Boden Terrain gewinnt, dem von Politik, Medien und einem Grossteil der Bevölkerung mit Ignoranz oder gar einer für mich völlig unbegreiflichen, undifferenzierten „Willkommenskultur“ begegnet wird. Noch heute habe ich die feste Gewissheit, zu denjenigen gehören zu wollen, die vor der Geschichte dereinst bestehen können werden. Ich stelle mich bewusst dem Werte-Konflikt, in welchen sich unsere Gesellschaft hinein manövriert hat, und ich tue dies ganz eindeutig auf dem Boden der säkular-freiheitlich rechtsstaats-basierten Verfassungs-Ordnung.
  3. Ich bin kein „Gegner des Rechtsstaates“, wie in einer Kampagne gegen mich versucht wird zu suggerieren, sondern ganz im Gegenteil vielmehr ein entschiedener Verfechter des Rechtsstaates im Sinne des „alten Grundgesetzes“ in der ursprünglich gemeinten und (auch in den grundlegenden Präzisierungen der Bonner Republik) niedergelegten Form. Einer Verschiebung der Staatsziele und der Aushöhlung der für individuelle Freiheit und säkulare Rechtsstaatlichkeit konstitutiven Werte in Richtung eines werte-nihilistischen „Multikulturalismus“ oder einer den Staatssouverän ausser Kraft zu setzen abzielenden sogenannten „offenen Gesellschaft“ trete ich aufs Entschiedenste entgegen.
  4. Aus dieser Verschiebung der Staatsziele resultiert eine nicht hinzunehmende Aufweichung der ursprünglichen Werte und Intentionen des Grundgesetzes. Ich verwahre mich gegen diese faktische Neujustierung des normativen Koordinatensystems mit der Folge der Belegung von ursprünglich in der politischen Mitte lokalisierten liberal-säkularen Standpunkten mit Attributen wie „rechtsextrem“, „Nazi-Gesinnung“, „faschistisch-rassistisch“, oder gar mit Attributen aus dem Nazi-Sprech der 30er Jahre gegen die vom Regime als solche erklärten Feinde (Ratten, Pack u.a.). Eine solche diffamierende Sprachverwendung ist einer Demokratie unwürdig und wir wissen, welche Gefahren mit einer solchen regierungsoffiziellen Sprachverwendung einher gehen können.
  5. Es kann aus strukturellen Gründen keine absolute (grenzenlose) weltanschauliche Äußerungs- und Ausübungsfreiheit geben. Diese hat vielmehr unter dem Vorbehalt zu stehen, die säkulare öffentliche Ordnung, welche Freiheit, Gleichheit und zwischenmenschliche Solidarität begründen soll, nicht zu stören bzw. negativ zu beeinträchtigen oder gar revidieren zu wollen. Es gilt im Sinne des Systemerhalts somit das Prinzip „Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit“ bzw. Freiheitsbeschränkung für die Kräfte der Restauration vormoderner Herrschaftsverhältnisse. Gerade auch durch Analysen wie von Bassam Tibi wurde mir schon um die Jahrtausendwende deutlich, dass Grundrechte vor allem Abwehrrechte des Individuums gegen die Überwältigungs-Versuche von Religion und Staat sind. 
  6. Heute allerdings ist die Situation im Begriff, sich wieder umzukehren. Dabei kann und darf es In Anbetracht der Erfahrungen mit der einstigen Rolle der christlichen Religion vor der Aufklärung als Machtinstanz feudaler Herrschaftsverhältnisse und als Quelle kriegerischer Zwietracht keine Vorrechte und Privilegien mehr für „Anschauungen religiöser Art“ geben. Religiöse und nichtreligiöse (säkular-humanistische, atheistische etc.) Weltanschauungsformen wurden mit Beginn der kulturellen Moderne aus guten Gründen gleichgestellt. Eine spezifische „Religionsfreiheit“ jenseits und zusätzlich zur ohnehin kodifizierten Weltanschauungsfreiheit im Rahmen einer den Prinzipien der kulturellen Moderne verpflichteten öffentlichen Ordnung ist überflüssig und kommt dem Individuum, das von Religion nicht bedrängt werden will, nicht zugute.
  7. Wie der Gesellschaftswissenschaftler Hartmut Krauss in seinen zahlreichen Veröffentlichungen nachgewiesen hat, wird im Gesamtkontext der Kollision des postmodernen, moralblind-kapitalbasierten Werte-Nihilismus mit der islamischen Herrschaftskultur nun genau dieser aufklärungshumanistische Kernaspekt der kulturellen Moderne negiert bzw. von den westlichen Politikern mehrheitlich verraten. Weiteren Aufwind erhält die Problematik der islam-konformen Prägung und Mitbestimmung nun durch unbehinderte, und gemäß aller geltenden Gesetze und internationalen Verträge widerrechtliche Flutung durch vorwiegend muslimisch sozialisierte und gemäß bisheriger Rechtslage zu etwa 98% unzutreffenderweise als solche bezeichnete „Flüchtlinge“. «Vor diesem Hintergrund ist zur Bewahrung des säkular-rechtsstaatlichen Erbes zu plädieren entweder für die Streichung von Art. 4 GG oder für dessen Änderung im Sinne von Artikel 10 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte: (1) Die Freiheit des Gewissens, der Überzeugung und die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Ausübung der Weltanschauung wird gewährleistet, insofern damit nicht gegen elementare Grundrechte und die bestehende Rechtsordnung verstoßen wird» (Hartmut Krauss). Auch in meinem Buch „RELIGION. Das Kapitalverbrechen an der Menschlichkeit“ (450 Seiten, als ganzes noch unveröffentlicht, 1998-2014) habe ich detailgenau die notwendigen Grundlagen für entsprechende Positionierungen vorgelegt.
  8. «Dem steht die die selbstzerstörerische Auslegungswillkür der politischen und juristischen Klasse entgegen, nach der die „Religionsfreiheit“ abstrakt-dogmatisch und unbeschränkt als Obergrundrecht verabsolutiert bzw. inthronisiert wird und damit religiöse Weltanschauungen gegenüber nichtreligiösen Weltanschauungen entgegen dem Gleichbehandlungs-Grundsatz privilegiert werden. De facto läuft diese ideologische Rechtsdogmatik auf das Paradoxon hinaus, den Islam mit seiner durch und durch grund- und menschenrechtswidrigen Normativität unter den Deckungsschutz des Grundgesetzes zu stellen, dessen „Ordnungsphilosophie“ ihm wiederum diametral widerspricht. D.h.: Wer dem Islam höchstrichterlich unbeschränkte „Ausübungsfreiheit“ einräumt, leistet an entscheidender Stelle Beihilfe zur Zerstörung der säkularen Gesellschaftsordnung» (Hartmut Krauss). Ich warne vor diesem quasi-physikalischen Rückkoppelungseffekt und der selbst-referentiellen gedanklichen Unschärfe schon lange.
  9. Es gehört schon sehr viel Böswilligkeit dazu, um diese von mir vertretene Haltung, aus der heraus ich vor der Bedrohung der für ein gedeihliches, freiheitliches Gemeinwesen unabdingbaren Rechtssicherheit und säkularen Rechtsstaatlichkeit in Deutschland und Europa warne, als Gegnerschaft zum Rechtsstaat umzudeuten. Ich bin vielmehr ein Gegner jedweder Demontage des modernen, freiheitlich-säkularen Rechtsstaates humanistischer Prägung.
Nachtrag am Jahresende:
Ich bin sehr froh und erleichtert, dass ich für meine umstrittene Bestandsaufnahme der bedrohten Rechtssicherheit in Deutschland Rückendeckung durch die höchsten juristischen Autoritäten des Landes geniesse:
http://www.n-tv.de/politik/politik_person_der_woche/Der-Richter-der-Kanzlerin-article16746101.html
Somit werde ich von - riskanten - konstatierenden Eigenbefunden zu zitierenden Verweisen übergehen können.
Gracias, Señor di Fabio!

Martin Münch, Dezember 2016