Dienstag, 20. September 2016

Persönlich: Abschied aus Deutschland

Sehr geehrte Damen und Herren,
 liebe Freunde der Musik von Martin Münch,


in dieser Mail erlaube ich mir, mich persönlich an Sie zu wenden. Nach 20 Jahren in Heidelberg heisst es einstweilen Abschied zu nehmen aus einer Stadt, der ich viel verdanke, die mir indes mitsamt dem gesamten Land, das offenbar beschlossen hat, sich, seine Substanz, seine freiheitliche Zivilisation und seine Hochkultur aufs Spiel zu setzen und möglicherweise ganz aufzugeben, zunehmend fremd geworden ist. Ich werde das Neckar-Musikfestival von der Ferne aus weiter betreuen. Persönlich jedoch werde ich nach den geplanten abschliessenden Deutschland-Konzerten (21.9. Heidelberg, 28.9. Bad Dürrheim, 29.9. Beilstein) bei unveränderten Rahmenbedingungen hier nicht mehr auftreten. Profilierte Kollegen und Kolleginnen aus dem In- und Ausland werden meine Musik, solange dies in Frieden möglich ist, auch in Zukunft pflegen und die ästhetische Idee eines dritten Weges - fernab von erstarrter Konvention auf der einen und abgehobener Avantgarde auf der anderen Seite - musikalisch weitertragen.

Gross geworden bin ich in einer Zeit, in der dem inhaltlichen - auch kontroversen und gut begründeten - Austausch viel Bedeutung beigemessen wurde. Seit einigen Jahren ist hingegen das seriöse Prüfen von Argumenten gesamtgesellschaftlich nahezu vollständig durch den möglichst finalen und Gegenwehr ausschaltenden Schlagabtausch von Reflexen ersetzt worden: Herabsetzung statt Diskussion. In einer solchen geistigen Umgebung fühle ich mich intellektuell wie emotional nicht mehr zu Hause und ziehe daraus nunmehr die Konsequenzen. Dieser Schritt fällt mir alles andere als leicht, war mir doch dieses Land mit seiner bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges schier unübertrefflichen Kultur, Musik, geistigen und wissenschaftlichen Kraft sowie seiner Einbettung in ein einst vielfältiges, eigenständiges und hinreissend liebenswertes Europa nach vielen Vergleichen und Aneignungen einmal sehr ans Herz gewachsen. Die Gründung der (unter meinen Nachfolgern nach wie vor kompetent aktiven) „Jahrhundertwende-Gesellschaft" mit einigen Freunden 1988 sowie die des Neckar-Musikfestivals 2005 legen davon ebenso Zeugnis ab wie meine musikalischen und schriftstellerischen Werke, die sich in dieser wunderbaren Tradition verorten und sie auf eine evolutionäre Weise weiterzuführen trachten, welche die kulturellen Brüche und Irrtümer in den nunmehr nahezu hundert Jahren seit dem Ende des ersten Weltkriegs konsequent herausarbeitet, benennt und zurückweist. Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich allen Weggefährten und Mitstreitern für ihren Beitrag, selbst wenn sich die Wege inzwischen getrennt haben sollten.

Allen musikalischen Freunden, Kulturliebhabern, Konzertbesucherinnen und Konzertbesuchern wünsche ich an dieser Stelle, dass es Ihnen gelingen möge, die Liebe zu unserer okzidentale Zivilisation wachzuhalten, unsere Freiheit sowie unsere (nicht nur musikalische) Hochkultur wertzuschätzen, und die Urheber von Versuchen ihrer Abschaffung zuverlässig zu identifizieren - um auf dergleichen schliesslich angemessen und auf Basis unserer säkularen, aufgeklärten und menschenrechtsbasierten Werte reagieren zu können. - Ich selbst bin per Mail unter info@martin-muench.de sowie über Facebook https://www.facebook.com/martin.munchcomposer auch transkontinental weiterhin erreichbar. Meine CDs können in Deutschland noch bis zum 30.9. bestellt und versandt werden (https://www.edition-prometheus.de). Auch danach steht Ihnen eine kleine Auswahl meiner Musik oder Stummfilmbegleitungen (https://www.youtube.com/channel/UChj_qy9LUMS7pBegLYSEOAQ, sowie https://www.youtube.com/channel/UCVxuK7Yw0xTbilzrYoV6Qlw oder https://www.youtube.com/user/neckarmusikfestival) im Internet zur Verfügung. Mein Skrjabin-Buch liegt (soweit mir bekannt) nach wie vor auf: https://buch.archinform.net/isbn/3-928864-97-1.htm. Wer (halb-) ehrenamtlich bei der Festival-Organisation mithelfen möchte ist herzlich eingeladen, mit mir und unserem Team Kontakt aufzunehmen. Ihr Verständnis für meinen Schritt erhoffe ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht und würde mich stattdessen freuen, mit Ihnen darüber in zwei bis drei Jahren wieder ins Gespräch kommen zu dürfen.

Bis zum Wiedersehen bei einem meiner drei vorerst letzten Deutschland-Konzerte verbleibe ich mit musikalischen Grüßen

Ihr Martin Münch

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